Wanderin zwischen zwei Welten

In unserem Haus haben die Deutschen das Sagen. Das Ausländerpack muss schweigen. Das gilt auch für Euch! Lydia, die 75- jährige Russlanddeutsche, spürt wieder den Kloß im Hals, der ihr die Kehle zuzuschnüren droht. Von Kindheitstagen an ist er ihr Begleiter und so muss sie erst einmal tief Luft holen, bevor sie überhaupt fähig ist, dem Angriff der Nachbarin Paroli zu bieten: Ich bin genauso eine Deutsche wie Sie es sind! Dieses ist die Geschichte Marias, einer alten russlanddeutschen Analphabetin, einer Schicksalsgefährtin Lydias, deren schweres entbehrungsreiches Leben stellvertretend für das ungezählter Leidensgenossen steht. 1941 als achtjähriges Kind mit Eltern, Geschwistern und Verwandten aus dem wolgadeutschen Gebiet deportiert, musste sie sich später mehrere Jahre allein mit ihren Geschwistern, darunter einem sechs Monate alten Baby, durchs Leben kämpfen, anschließend unter widrigsten Umständen eine neue Bleibe in Sibirien aufbauen bis sie endlich, Jahrzehnte später, ihr langersehntes Deutschland erreichte. Von ihrem langen Leben in Russland geprägt, spürt sie ständig das Hin- und Hergerissen sein zwischen den verschiedenen Kulturen, das vor allem durch die Trennung von vier ihrer fünf in Russland verbliebenen Kindern herrührt. So ist dies die Geschichte einer Wanderin zwischen beiden Welten, immer auf der Suche nach der eigentlichen Heimat.